Rückkehr in den Regelbetrieb unter den Bedingungen der Pandemie

Gastbeitrag Alexandra Knoch

Seit dem 08. Juni 2020 galt in den Kindertagesstätten in NRW der eingeschränkte Regelbetrieb. Auch in unserer Kita im nordrhein-westfälischen Castrop-Rauxel mussten sich die Beschäftigten, Kinder und Eltern an Einschränkungen, neue Regeln und strenge Hygienekonzepte halten. Für uns alle stellte das eine enorme Herausforderung dar. Von den Erzieher*innen wurde ein hohes Maß an Mehraufwand verlangt, um jedes einzelne Kind zur Toilette oder zum Händewaschen zu begleiten ohne die Aufsichtspflicht den anderen Kindern gegenüber zu vernachlässigen. Eltern konnten den Betreuungsumfang nicht vollständig in Anspruch nehmen und mussten Kinder wegen laufender Nasen mindestens 24 Stunden lang zuhause betreuen. Am schlimmsten traf der eingeschränkte Regelbetrieb aber die Kinder: anders als in unserer Konzeption festgelegt und als es die Kinder gewohnt waren, wurden sie in ihrer Selbstständigkeit enorm eingeschränkt. Das Außengelände und das Gebäude durften nicht mehr komplett genutzt und mit Freunden aus anderen Gruppen nicht mehr gespielt werden; feste Rituale in ihrem Alltag (wie Stuhlkreise, Turnen, etc.) fielen ersatzlos aus; die Kinder mussten von ihren Eltern nach einer kurzen Verabschiedung am Tor zum Außengelände abgegeben werden.

Neue Regelungen ab August
Mit dem 17. August 2020 konnte in den Kindertagesstätten endlich der Regelbetrieb wieder aufgenommen werden - “Ein Regelbetrieb unter den Bedingungen der Pandemie”, nannte es NRW Familienminister Joachim Stamp. Damit einher gehen natürlich neue Regeln, die in den Kitas umgesetzt werden müssen. Die offiziellen Vorgaben des Landes (siehe auch Blog vom 3.8.2020) müssen für jede Kindertagesstätten ausgearbeitet und individuell angepasst werden. Darüber hinaus gelten natürlich nach wie vor gelten die allgemeinen Schutzmaßnahmen, um Ansteckungen mit SARS-CoV-2 zu verhindern. Das bedeutet unter anderem, dass Eltern und Erzieher*innen 1,5m Abstand zueinander halten und/oder einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. Auch Mitarbeiter*innen müssen auf 1,5m Abstand zueinander achten. Räumlichkeiten, insbesondere Sanitäranlagen und Wickelräume müssen mehrmals täglich gereinigt und desinfiziert werden, weitere notwendige Hygienemaßnahmen sind dringend einzuhalten.

Große Erleichterungen für alle
Doch neben den strikten Hygieneregelungen gibt es für Kinder, Eltern und Personal auch enorme Erleichterungen: endlich kann pädagogische Arbeit mit den Kindern, wie wir sie kennen, wieder stattfinden. Es sind wieder Stuhlkreise zum Start in den Tag möglich und es darf wieder gesungen werden. Das ganze Außengelände kann mit alle seinen Möglichkeiten von allen Kindern gleichermaßen bespielt werden. Endlich können auch die Interaktionen mit den Tieren wieder stattfinden, da die Gehege bislang nicht mehr für alle Kinder zugänglich waren. Die Kinder dürfen wieder selbst entscheiden, wo und mit wem sie spielen. Sie dürfen sich wieder selbst Frühstück zubereiten und Mittagessen nehmen, was den Kindern in unserer Einrichtung sehr gefehlt hat.
Vor allem berufstätige Eltern können aufatmen, da die Betreuung wieder in vollem Umfang genutzt werden darf. Elternabende finden wieder statt und wenn sie vor Covid19 auch oft als Pflichttermin wahrgenommen wurden, wissen die Eltern einen persönlichen Austausch mit anderen Eltern und Erzieher*innen jetzt doch sehr zu schätzen. Und auch die Eltern freuen sich, dass nun wieder ein pädagogischer Kitaalltag, in dem ihr Nachwuchs individuell gefördert und erzieherisch begleitet wird, stattfinden kann.
Für uns Erzieher*innen ist es ebenfalls eine große Erleichterung, wieder im Sinne des Erzieherberufes arbeiten zu können. Unser Alltag besteht nicht mehr (nur) daraus; darauf zu achten, dass die Kinder sich an strenge Regeln und Einschränkungen halten und alle Hygienemaßnahmen berücksichtigt werden. Endlich können wir jedes Kind wieder ein Stück weit in seiner Entwicklung unterstützen, Angebote und Projekte auf die Interessen der Kinder angepasst entwickeln und ihren Alltag pädagogisch begleiten. Das intuitive Arbeiten mit den Kindern war durch die Konzentration auf strikte Reglementierungen beinahe zum Erliegen gekommen und kann jetzt wieder einigermaßen entspannt aufgenommen werden. Die eingestellten Alltagshelfer*innen machen es möglich, dass das Leben der Kinder wieder ein Stück weit “normaler” gelebt werden kann, indem sie den Erzieher*innen Arbeiten, die das Hygienekonzept betreffen abnehmen. In zweiwöchigem Turnus stattfindende Coronatests beim Hausarzt geben uns Erzieher*innen das Gefühl, dass auch auf unseren Schutz und unsere Gesundheit Wert gelegt wird (wobei die Kooperation der Hausärzte durch mangelhafte Information und Ausstattung seitens des Landes noch nicht optimal ist – siehe Blog vom 10.8.2020).

Teamentscheidungen für unsere Kita
Einige der täglichen Aktivitäten haben wir in einer gemeinsamen Teamsitzung so angepasst, dass sie uns für unsere Einrichtung, vor allem die Kinder praktikabel erscheinen und gleichzeitig den Familien und den Mitarbeiter*innen den größtmöglichen Schutz vor einer Ansteckung mit dem Virus bietet. Der größte Teil des Tages wird weiterhin draußen stattfinden. Das bedeutet zum Beispiel, dass Sitz- bzw. Spielkreise draußen abgehalten werden und auch Projekte und Aktionen mit den Kindern - soweit es möglich - ist nach draußen verlagert werden. Unsere Kita verfügt glücklicherweise über einen sehr großen und vielseitig nutzbaren Garten, der zudem einen direkten Zugang zum Wald hat. Daher können pädagogische Angebote ohne viel Aufwand draußen stattfinden.
Mahlzeiten werden nach wie vor in den Gruppenräumen eingenommen und trotz der Lockerungen haben wir entschieden, die Kinder erst Schritt für Schritt wieder an die zurückgewonnene Selbstständigkeit heranzuführen. Das Mittagessen wird wieder auf den Tisch gestellt und die Kinder dürfen ihre Speisen wieder selbst auswählen und nehmen. Erst, wenn wir feststellen, dass das gut funktioniert, dürfen die Kinder auch das Frühstück wieder selbst zubereiten. da es weniger eng begleitet wird, als das Mittagessen. 
Nach wie vor bitten wir die Eltern, die Kinder an der Tür bzw. dem Tor zum Garten abzugeben und entgegenzunehmen. Wir haben uns dazu entschieden, weil es uns wichtiger ist, die Kinder aufmerksam zu begrüßen und zu verabschieden, als in der Bring- oder Abholsituation darauf zu achten, welche Eltern sich zu nahe kommen, zu lange in der Einrichtung bleiben, ggfs. Beschwerden über Nichteinhaltung von Abständen entgegen zu nehmen etc.

Ausblick
Da die Zahl der Infizierten in NRW seit Ende der Sommerferien kontinuierlich steigt, ist nicht abzusehen, wie lange der Regelbetrieb in unserer Kita aufrechterhalten werden kann. Sicher werden wir weiterhin dafür sorgen, dass die Familien und Mitarbeiter*innen bestmöglich vor einer Ansteckung mit Covid19 zu schützen. Gleichzeitig möchten wir den Familien und Kindern aber auch (wieder) ein Umfeld schaffen, in dem sie sich gut aufgehoben und wohl fühlen, sodass ein unbeschwertes Leben und Lernen möglich ist. Dass das ein schmaler Grat ist, haben wir in den letzten Wochen und Monaten deutlich zu spüren bekommen. Indem wir uns im Team immer wieder intensiv mit den Regelungen auseinandersetzen und diese weiterentwickeln, die Erwartungen und Ängste der Eltern ernst nehmen und die positive Entwicklung der Kinder priorisieren, wird es uns hoffentlich gelingen, allen gerecht zu werden und uns weiterhin durch diese anstrengende, unübersichtlcihe und herausfordernde Zeit zu manövrieren. - Darüber werde ich in den nächsten Wochen weiter berichten.
Alexandra Knoch

Links und weitere Informationen:
Hier finden Sie weitere Blogbeiträge von Alexandra Knoch über die Arbeit der Kita am Wald e.V.:
1. Blogbeitrag vom 27.4.2020: Digital gut unterwegs!
2. Bogbeitrag vom 14.05.2020: Wie erreichen wir die U3-Kinder zuhause?Eine Bestandsaufnahme und Einschätzung zu unseren Angeboten und Aktivitäten
3. Blogbeitrag vom 13.6.2020: Elternarbeit während der Corona-Krise
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Themen: Kita am Wald e.V., Neues aus der Kita-Szene, Berichte aus der Praxis

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